Letzte Lesung aus dem ersten Kurzgeschichten-Wettbewerb im HeidelBerg-Café: „Treffen und Gehen“
Zum 14. und letzten Mal in diesem Jahr durften Autorinnen und Autoren von Kurzgeschichten im Emmertsgrunder HeidelBERG-Café vorlesen, welche Idee sie unter der Vorgabe von maximal 6000 Zeichen (inclusive Leerzeichen!) beim ersten Schreibwettbewerb der Stadt Heidelberg umgesetzt hatten. Die zweite Vorgabe: Es sollte etwas mit Heidelberg zu tun haben.
Die letzte Leserunde startete mit Letizia Mancino-Cremer, Vorsitzende der Heidelberger Goethegesellschaft und Emmertsgrunderin. Unter dem Titel „Treffen im Tiergarten“ erzählt die Autorin in aneinandergereihten Anekdoten, wie sie ihren Mann, Professor Christoph Cremer, kennenlernte. Bei flottem Ortswechsel, gespickt mit sprachpädagogischen Erläuterungen des Italienischen, treffen sich in Anlehnung an zwei Tiger im Heidelberger Zoo die Ich-Erzählerin als italienische (Raub-)Katze und ihr zukünftiger Mann, der gebildete deutsche Kater, bei nicht stattfindenden oder nur sehr kargen und ungesunden Mahlzeiten immer wieder, bis alle Hürden überwunden sind und die römische Siamkatze der Familie der Eheschließung ihren Segen gibt.
Die Moderatorin des Leseabends, Molli Hiesinger, bedankte sich nach ihrer unbeantwortet gebliebenen Frage, wieso Mancino die Geschichte so und nicht anders geschrieben habe, für den intimen Einblick in deren Privatleben, den sie damit dem Publikum gewährt habe.
Als Initiatorin und Kuratorin des Kurzgeschichtenwettbewerbs hatte Molli Hiesinger nicht selbst an ihm teilnehmen können. An diesem Abend jedoch las sie nach dessen Vorgaben eine Geschichte mit dem Titel „Alexander“, die sie spontan auf ihrer morgigen Zugfahrt nach Heidelberg handschriftlich zu Papier gebracht hatte. In dem doppelten Spannungsbogen einer Geschichte in der Geschichte philosophiert die Ich-Erzählerin über das Wesen des Menschen. Es geht um das praktizierte Leben, um Innenleben versus Außenwelt, um Impulse versus In-sich-Ruhen, um Krieg versus Frieden, um Leben versus Tod. Es geht um Wörter, um Sprache, um Bedeutung, aber vor allem eins: um den Zweifel, der dem Menschen innewohnt. Festgemacht wird dies an der Begegnung der Ich-Erzählerin mit dem russischen Philosophiestudenten Alexander, der sie mit dem Bild des im Schnee schlafenden Soldaten aus Nietzsches Ecce homo und dem „russischen Fatalismus“ vertraut macht.
Eine dritte Geschichte von Rainer Rupp mit dem Titel „Spuren“ traf beim Publikum offensichtlich einen Nerv. Denn sie löste eine lebhafte Diskussion aus. Der Protagonist der Geschichte, der „Alltagsmensch“ Gernot, versteckt in den Mauerritzen der Heidelberger Altstadt über die Jahre hinweg immer wieder Zettel. Will er Spuren hinterlassen, wenn er einmal das Zeitliche segnet? Findet jemand eine seiner Botschaften? Gibt es eine Antwort darauf? Sein Lebensthema, so der Autor, sei die Frage nach dem Sinn des Lebens. „Wer schreibt, bleibt“, könnte nach Rupp die erlösende Botschaft sein. Vielleicht legt Molli Hiesinger deshalb so viel Wert auf eines ihrer Lebensthemen: „Ich versuche die Leute zum Schreiben zu bringen“.
Text: Karin Weinmann-Abel






