„Mut und Inspiration mitnehmen“

Einer von uns
Vinzenz Rose - Einer von uns?! Bildquelle: WPS

Aufmacher der neuen Em-Box (117 / Oktober 2025)

Ausstellung in der Waldparkschule – Über das Schicksal des Sinto Vinzenz Rose / Von Arndt Krödel

Lebendige Demokratie zeigt sich auch darin, wie intensiv sich ihre Bürger mit der Geschichte auseinandersetzen, um aus Fehlern und Irrtümern zu lernen und begangenes Unrecht nicht zu wiederholen. Wenn junge Menschen sich hier engagieren, tut das einer Gesellschaft besonders gut – denn sie sind unsere Zukunft. Als Schülerinnen und Schüler in Obrigheim, einer 45 Autominuten von Heidelberg entfernten Gemeinde im Neckar-Odenwald-Kreis, anfingen, sich – freiwillig – in der Geschichte-AG der dortigen Realschule mit dem Lebensweg des von den Nationalsozialisten verfolgten Sinto Vinzenz Rose zu beschäftigen, entstand Großes: Eine differenziert aufgefächerte Ausstellung über seine Biographie, die lokalen Zusammenhänge und die politischen Hintergründe. Sie wurde jetzt mit einer Vernissage in der Waldparkschule Boxberg vorgestellt, von wo sie auf Wanderschaft durch die Region geht.

Die jungen Protagonisten trafen sich mit ihrem Lehrer Bernhard Edin in ihrer Freizeit, um das Projekt zu entwickeln – wenn ihre Mitschülerinnen und -schüler vielleicht ins Schwimmbad gingen oder ihre Ferien genossen. Schritt für Schritt wurde eine Ausstellung erarbeitet, die die bewegende Biographie des ehemaligen KZ-Häftlings und späteren Bürgerrechtlers Vinzenz Rose erzählt. Es ist die Geschichte eines Angehörigen der im „Dritten Reich“ zu Hunderttausenden in den NS-Todeslagern ermordeten Minderheit der Sinti und Roma, und sie hat viel mit unserer Region zu tun. Bis in die heutige Zeit, denn der von den Schülern im Lauf ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema entstandene Vorschlag, ihre Schule im Sinne einer bewussten Erinnerungskultur nach Vinzenz Rose zu benennen, scheiterte am Widerstand in der Gemeinde Obrigheim und sogar in der Schule selbst.

Im „Fuchsbau“, dem Versammlungsort der Waldparkschule, war ein ebenso zahlreiches wie aufmerksames Publikum zur die inzwischen preisgekrönte Ausstellung in diesem Schuljahr an verschiedene Schulen in der Region sowie an die Pädagogische Hochschule holt, erklärte Nora Bräcklein als Moderatorin des Abends, was sie besonders fasziniert habe – nämlich wie zugänglich für andere die Geschichte des Vinzenz Rose erzählt wird: „Wir können aus dieser Ausstellung Mut und Inspiration mitnehmen.“ Zudem habe die Ausstellung eine gewisse Aktualität, wenn man an den zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland denke.

Devon Drescher, Leonie Metz und Leni Wendt, die bis vor einem Jahr noch auf die Realschule Obrigheim gingen und die Ausstellung miterarbeiteten, stellten gemeinsam mit ihrem Lehrer und Leiter der Geschichte-AG, Bernhard Edin, die 14 Fahnen vor, auf denen das Leben Vinzenz Roses anschaulich mit Texten, Fotos und Dokumenten dargestellt wird. In farblicher Differenzierung gibt es einen in Ich-Form erzählten persönlichen Teil, einen auf die Gemeinde Obrigheim und den Rhein-Neckar-Raum bezogenen lokalen Abschnitt sowie einen politischen Teil, der die Grundlagen der Diskriminierung der Sinti und Roma erläutert.

Vinzenz Rose, ein Onkel von Romani Rose, dem heutigen Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, lebte mit seiner Familie in Darmstadt und Frankenthal. Den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten, für die „Zigeuner“ eine „artfremde Rasse“ waren, kann er sich zunächst durch Flucht und Verstecken entziehen. Durch eine Denunziation wird er schließlich verhaftet und nach einem Zuchthausaufenthalt im März 1943 in das „Zigeunerlager Auschwitz“ deportiert. Es folgen Verlegungen in das KZ Natzweiler-Struthof im Elsass, wo er unmenschlichen medizinischen Experimenten unterzogen wird, und in das KZ Neckarelz, heute ein Stadtteil von Mosbach. In einem Gipstollen auf der anderen Neckarseite in Obrigheim schuftet er als Zwangsarbeiter, um für die Daimler-Benz-Motorenwerke eine unterirdische Fabrik für Flugzeugmotoren aufzubauen, das Geheimprojekt „Goldfisch“. Als einem von vier Häftlingen gelingt ihm, auch durch Mithilfe seines Bruders Oskar, die Flucht aus dem KZ, kurzzeitig taucht er in Heidelberg unter. Nach dem Krieg wird er in der Bundesrepublik zusammen mit seinem Bruder zum Pionier der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. 1972/73 gründen er und sein Neffe Romani Rose den „Verband deutscher Sinti“ mit Sitz in Heidelberg und Oftersheim, der sich unter anderem dem Kampf gegen Diskriminierung und für die Gleichberechtigung von Sinti mit anderen deutschen Staatsbürgern widmet. Denn: Nach der grausamen Verfolgung durch die Nazis war das Unrecht in der jungen deutschen Demokratie keineswegs überwunden.

Warum ein Mann mit dieser Vergangenheit, dem 1978 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, nicht Namenspatron der Realschule Obrigheim werden durfte, bleibt unerklärlich. In dem Ort im Neckar-Odenwald-Kreis hat der Gemeinderat im Mai 2024 sogar den Kompromissvorschlag, wenigstens die namenlose Neckarbrücke zwischen Obrigheim und Mosbach-Diedesheim nach dem Sinto Vinzenz Rose zu benennen, abgelehnt – ohne Diskussion und in geheimer Abstimmung. Ein beschämender Vorgang.

Grußworte bei der Vernissage, die von Anastasia Gubanov auf der Violine musikalisch gelungen umrahmt wurde, sprach unter anderem Markus Lautenschläger von der Lautenschläger-Stiftung, die die Ausstellung förderte. 

Info: Die Ausstellung „Vinzenz Rose – Einer von uns?!“ ist bis zum März 2026 in verschiedenen Schulen der Region sowie an der PH Heidelberg (10.12.2025 bis 01.02.2026) zu sehen.

Die ganze Em-Box 117 finden Sie hier: eb117_Okt_25.pdf

Austellungseröffnung: "Einer von uns?!
In Anwesenheit des Neffen von Vinzenz Rose, Romani Rose, Vorsitzender des Zenralrats Deutscher Sinti und Roma (7.v.l.) mit Sitz in Heidelberg, wurde die Wanderausstellung am 17. Juni 2023 in der Realschule Obrigheim eröffnet. Foto: Ausstellungsband

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