50-Jahr-Feier des Stadtteilvereins Emmertsgrund
Pbc
Gut hundert Gäste konnte Fritz Zernick, Vorsitzender des Stadtteilvereins Emmertsgrund, zu dessen fünzigjährigen Jubiläum im Speisesaal des Sino German Hi Tech Tower begrüßen, darunter viele Ehrenamtliche und Mandatsträger mit Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner an ihrer Spitze.
Dieser betonte in seinen Grußworten die wichtige Rolle des Stadtteilvereins für die Bürgerinnen und Bürger. Nachdrücklich wies er auf die Initiative zur Fortführung des HeidelBERG-Cafés hin, das ein wichtiges Zeichen ehrenamtlicher Beteiligung von Bürgern sei. Seiner Rede folgte die Ehrung der Gründungsmitglieder des Stadtteilvereins, Gisela Vondra und Jürgen-Dieter Graf, der aus persönlichen Gründen nicht anwesend sein konnte, weshalb seine Tochter Brigitte Libner Urkunde und Blumen entgegennahm.
Zu Ehrenmitgliedern hatte der Vorstand Doris Rott und Alfons Kuhn erwählt.
Nach einem Grußwort aus dem Bezirksbeirat, vorgetragen vom Vorsitzenden des Jugendgemeinderates Michael Steinke, unterhielten sich „Uschi und Agathe“ in Person der Leiterin des Seniorenzentrums, Michaela Günter, und der Seniorin Ursula Beute darüber, „was so los is uffm Berch“!
Viel Wissenswertes aus der Zeit des Stadtteilvereins von seinen Anfängen bis heute fasste Dr. Hans Hippelein, selbst langjähriger früherer Vorsitzender, in seinem Festvortrag nach der Eröffnung des von Horst Franke (vbi) mit Unterstützung der Hotelfachschule angerichteten bunten Buffets zusammen, in Gänze nachzulesen unter diesem Beitrag.
Den Abschluss des Festes bildete der durch Spenden finanzierte Film des Stadtteilvereins „Emmertsgrund – Zwischen Wald und Reben“.
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Rede von Hans Hippelein beim Festempfang zum 50jährige Jubiläum des Stadtteilvereins Emmertsgrund
Die vielen Menschen, die nach dem Krieg in die unzerstörte Stadt am Neckar strömten und sich diese als Heimat aussuchten, ließen die Bevölkerungzahl stark anwachsen. Die schwierige Wohnsituation ließ sich durch den Bau von Boxberg und Hasenleiser kaum lindern und deshalb – die Altstadtsanierung kam noch hinzu – entschied man, im Süden Heidelbergs einen neuen Stadtteil zu errichten.
In den 60er Jahren wurde eine Gutachterkommission der u.a. der Sozialpsychologe Alexander Mitscherlich angehörte, beauftragt, einen Stadtteil mit gut 3000 Eigenheimen, Eigentums- und Mietwohnungen zu planen.
Als Bauträger fungierte die gewerkschaftseigene Neue Heimat, die das Grundstück mit der Maßgabe erhielt, die gesamte Infrastruktur einzurichten, deren Kosten auf diese Weise letztlich von den Neubürgern aufzubringen waren.
50 Jahre Stadtteilverein Emmertsgrund – ist das ein Grund zum Feiern?
„Jain“, denn diesem Stadtteil war angesichts seiner schwierigen Situation oft nicht zum Feiern zumute. Die ursprüngliche Idee, die Bevölkerungsstruktur solle den Querschnitt der Heidelberger Bürgerschaft widerspiegeln, traf bald nicht mehr zu, da der Emmertsgrund zum Sammelbecken von Menschen mit Migrationshintergrund oder mit prekären Lebensverhältnissen wurde und deren Anteil heute bei weit über 50 Prozent liegt, So übernahm der Stadtteil einen Großteil der Integrationsarbeit für Heidelberg und tut dies heute noch, und der Stadtteilverein muss sich um weit mehr als die traditionelle Brauchtumspflege kümmern.
Am Anfang war die Passage und vier junge Männer, denen alles zu langsam ging: die beiden Wissenschaftler Detlev Ganten und Fritz Schmid, der in der Stadtverwaltung erfahrene Bürgerberater Dieter Knauber und der sozial engagierte Pfarrer Helfried Heidler, der von Anfang an die Neubürger durch Feste und ein Informationsblatt einander näher brachte. Zwar waren die Emmertsgrundpassage, der Mombertplatz, der Jellinekplatz und dir Schule schon fertig. Doch es gibt keine Spielplätze, keine Kirche, keinen Versammlungsort, nur Baustellen und Probleme.
Um das zu ändern wird am Donnerstag, dem 13. März 1975, von 30 Gründungsmitgliedern der Stadtteilverein ins Leben gerufen. Zum Vorsitzendem wird Dr. Detlev Ganten gewählt, der später weltweit, u.a. als Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité Karriere macht.
Sofort werden mehrere Aktionskomitees gebildet, die sich mit Satzungsfragen, der Sicherheit für Kinder, mit Spielplätzen, Sport, den Wünschen älterer Mitbürger, sozialen Problemen und dem Nahverkehr beschäftigten. Ein Wettbewerb für einen Emmertsgrund-Slogan wird ausgerufen und die Bildung der Initiative „Kunst im Emmertsgrund“, welche die vielen grauen Betonwände in der Passage verschönert. Unter Gantens Nachfolger Schmid wird ein Jugendausschuss eingerichtet, denn das von der Stadt eingerichtete Jugendzentrum macht Probleme und die Jugendgang „Kobra-Bande“ lehrt nicht nur den Einheimischen inklusive Detlev Ganten das Fürchten, sondern bringt dem neuen Stadtteil auch ein schlechten Ruf ein. Um es gleich zu sagen: heute ist der Emmertsrund eine der sichersten Stadtteile in Heidelberg, was großenteils der intensiven Jugendarbeit des eng mit dem Stadtteilverein liierten Jugendzentrums Harlem zu verdanken ist.
Schon kurz nach der Gründung kam ein ernstes Problem auf den Stadtteilverein zu: Die Mieten der Sozialwohnungen wurden von der Neuen Heimat um 20 Prozent erhöht, was einen heftigen Mieterstreik bis zum Mitboykott hervorruft. Eine schnell gegründete Mieterinitiative möchte den Stadtteilverein für ihre Boykottmaßnahmen einspannen, gebärdet sich jedoch derart radikal, dass der Verein nicht mitmacht. Der Stadtteilverein betrachtet die Höhe der Sozialmiete vielmehr als ein sozialpolitisches Problem, das in der Verantwortung des Landes Baden-Württemberg liegt.
1979 übernimmt Doris Rott für sechs Jahre den Vorsitz des Stadtteilvereins. Sie geht daran, die Arbeit des Vereins zu verbreitern und führt sogleich den Sommertagszug und den Martinszug ein.
In diese Zeit fällt der vom Stadtteilverein gewünschte erste Umbau der Passage: die vielen Betonmauern werden durch Bäumchen mit kleinen Rondellen ersetzt, und in die Senke unter der Straßenbrücke wird ein Spielplatz gebaut.
Rott gelingt es durch langes Insistieren, dass neben dem bald fertiggestellten Ladenzentrum im Forum 5 auch eine Poststelle eingerichtet wird.
Spektakulär ist die Aufnahme von 40 geflüchteten Laoten in damals leer stehende Sozialwohnungen. Dank der Unterstützung vom Stadtteilverein integrieren sich diese schnell und tragen mit ihren Tänzen regelmäßig und gern zu Stadtteilfesten bei.
1982 geht die Neue Heimat In Konkurs. Ein Bäckerei aus Hamburg würde alles samt den 16 Mrd Schulden für 1 Mark kaufen. Zum Glück für den Stadtteil wird aber 1986 die stadteigene GGH beauftragt, die Wohnungen der NH zu übernehmen.
In dieser Zeit verlässt Doris Rott den Emmertgrund und Rainer Poth vom Jellinekplatz übernimmt die Leitung des Stadtteilvereins.
Aus den folgenden 12 Jahren unter Poth ist wenig bekannt, da keine Protokolle oder andere Dokumente darüber existieren.
Laut RNZ führt der Stadtteilverein einen Wochenmarkt und einen Flohmarkt ein, und 1992 wird auf Initiative von Poth und der Musikschule das Jugendblasorchester gegründet, das seit vielen Jahren von Viktor Hamann geleitet wird und dessen Vorsitzender Georg Jelen ist.
1994 wird die Bürgerschaft von einem neuen Schlag getroffen, nämlich der Schließung von zwei großen Attraktionen des Stadtteils: dem Schwimmbad und der Müllsauganlage, was trotz heftiger Proteste des Stadtteilvereins und der Bürgerschaft nicht verhindert werden kann.
Das Hauptanliegen Poths ist die Abschaffung der 1995 in Baden-Württemberg eingeführten Fehlbelegungsabgabe, die die Sozialmieter dazu bewegen soll, freiwillig ihre Wohnungen zu verlassen, sobald ihr Einkommen die Bemessungsgrenze überschreitet. Eine solche Maßnahme ist natürlich für den eh unter hoher Mieterfluktuation leidenden Stadtteil nicht angemessen und so wird Fehlbelegungsabgabe auf Druck u.a. von Poth nach wenigen Jahren für den Emmertsgrund auf Eis gelegt.
Der autokratische Führungsstil des Vorsitzenden erzeugt indes zunehmend Unmut in der Bürgerschaft. Als Poth auf der Mitgliederversammlung von 1998 versäumt, die satzungsgemäße Neuwahl durchzuführen, erzwingen anwesende Mitglieder die Einberufung einer neuen Versammlung mit Neuwahlen.
Dank des Beitritts mehrerer Personen in den Stadtteilverein wird in einer Kampfabstimmung mit knappest möglicher Mehrheit der Stadtrat Roger Schladitz zum neuen Vorsitzenden gewählt. Verärgert tritt der gesamte alte Vorstand aus dem Verein aus, bis auf den heute geehrten Alfons Kuhn, der bis heute für den Stadtteilverein aktiv ist.
Unter dem neuen Vorstand werden die traditionellen Veranstaltungen durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Initiativen erweitert. So gibt es z.B. Faschingsveranstaltungen mit den Trabanten und Podiumsdiskussionen zu aktuellen Themen wie Kriminalprävention und Gewalt an der Schule.
Im Juli 2001 übergibt Schladitz den Vorsitz an Katharina Fetzer.
Noch im selben Jahr kommt durch der Schließung des Supermarkts im Forum ein Nahversorgungsproblem auf den Stadtteil zu. Nach mehreren gescheiterten Versuchen wie z.B. der Ansiedlung eines großen Marktes zwischen den Stadtteilen Boxberg und Emmertsgrund, wird nach jahrelanger Schließung eine Idee eines früheren Stadtteilvereins-Vorsitzenden umgesetzt und der Supermarkt von der gemeinnützigen Gesellschaft AQB weitergeführt.
2002 zieht der StV zusammen mit dem Kulturkreis in die vom SPAR-Supermarkt aufgegebenen Räumlichkeiten ein, die den Namen Treff22 erhalten. Die zeitlich meist ungenutzten Räume werden an verschiedene Initiativen untervermietet. So z.B. an die „Lernpaten“, einem Projekt des Jugendzentrums, bei dem erfolgreiche meist ältere Schüler:innen anderen, jungen SchülerInnen Nachhilfe geben, ein erfolgreiches Projekt, das vom Stadtteilverein mitbetreut und nach Kräften unterstützt wird.
Heute können wir mit Stolz sagen, dass die Vereinsräume zuweilen sogar überbelegt sind.
Bald gibt es aber ein neues Problem: die GGH will aus Kostengründen 610 Wohnungen in der Emmertsgrundpassage an einen bis dato unbekannten Investor verkaufen. Dank einem, auch vom StV unterstützten Bürgerentscheid lässt sich der Gemeinderat umstimmen und lehnt das Vorhaben ab.
Als 2008 die Vorsitzenden Hippelein, Kirsch und Zernick nacheinander die Leitung übernehmen und die wesentlichen Dinge erreicht sind, werden die Veranstaltungen perfekter organisiert, die Umzüge länger und die Stadtteilfeste größer. Seit 2010 wird der Stadtteilverein dabei vom Quartiersmanagement unterstützt.
Im Jahr 2020 kaufen zwei schwäbische Investoren 330 Sozialwohnungen am Jellinekplatz und in der kleinen Emmertsgrundassage mit dem Ziel, die Häuser zu sanieren und die renovierten Sozialwohnungen nach Auslaufen einer Sperrfrist an Privatleute zu verkaufen.
Unser Verein findet es natürlich grundsätzlich bedauerlich, wenn Sozialwohnungen wegfallen, hofft aber, dass die Umwandlung in Eigentumswohnungen den Wohnwert des Emmertsgrunds anhebt. Außerdem sehen wir auch nicht ein, dass dieser Stadtteil bis in alle Ewigkeit den größten Teil der Sozialfälle aufnimmt, während sich andere Stadtteile schadlos halten.
Aktuell setzt sich der Stadtteilverein zusammen mit anderen Vereinen und Initiativen für den Erhalt des Bergcafes ein. Dem soll wegen finanzieller Engpässe der Stadt die Unterstützung gestrichen werden, was zur Folge hätte, dass die dort aktiven sozialen und kulturellen Initiativen ihre Begegnungs- und Wirkungsstätte verlören, und auch der erfolgreiche Kultursommer würde seine zentralen Anlaufstelle einbüßen und infrage gestellt.
Wie Sie sehen, hat der Stadtteilverein eine Menge positiver Entwicklungen bewirkt, musste aber auch etliche der auf ihn zukommenden Probleme ungelöst lassen. Fraglich, ob das einen Grund zum Feiern ist. Auf jeden Fall aber ein Grund, weiter zu arbeiten.
Hans Hippelein, 29.3.2025

